Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit (1933) ist der Titel einer Untersuchung von Marie Jahoda, Paul Felix Lazarsfeld und Hans Zeisel zu den Folgen von Arbeitslosigkeit, die zu den Klassikern der empirischen Soziologie gehört. Die Studie zeigte die sozio-psychologischen Wirkungen von Arbeitslosigkeit auf und machte deutlich, dass Langzeitarbeitslosigkeit nicht – wie vielfach angenommen – zu Revolte, sondern zu passiver Resignation führt.[1]
Die Arbeitslosen von Marienthal ist aber nicht nur eine mit vielen Beispielen illustrierte dichte empirische Beschreibung, sondern auch eine sozialtheoretisch anregende Arbeit mit Blick auf die vier Haltungstypen der auch innerlich Ungebrochenen, der Resignierten, der Verzweifelten und der verwahrlost Apathischen – wobei lediglich der erste Typus noch „Pläne und Hoffnungen für die Zukunft“ kannte, während die Resignation, Verzweiflung und Apathie der drei anderen Typen „zum Verzicht auf eine Zukunft führte, die nicht einmal mehr in der Phantasie als Plan eine Rolle spielt“. Als entscheidende Dimension erwies sich die Fähigkeit, „für die Zukunft Pläne und Hoffnungen“ bewahren und entwickeln zu können, also eine grundlegende Dimension humanen Gestaltungsvermögens nicht zu verlieren: die Antizipation möglicher Entwicklungen. (Textauszug komplett aus Wikipedia)
Einzelne Ergebnisse
Zeitempfinden: Freizeit, Zeitverwendungsbögen, Zeitrhythmus[2]
Die neu gewonnene Freizeit wird zum tragischen Geschenk
Das Nichtstun beherrscht den Tag
Forscher beobachteten die Geschwindigkeit, mit der die Menschen die 300m lange Dorfstraße entlang gingen, und wie oft sie stehen blieben.
Deutlicher Unterschied zwischen Frauen und Männern: Frauen gingen im Durchschnitt 1,5 mal so schnell wie Männer, da Frauen noch viele sinnvolle Tätigkeiten zu verrichten hatten, z. B. Hausarbeit
„auf die Straße gehen“ bedeutete für die Frauen: Besorgungen machen
„auf die Straße gehen“ bedeutete für die Männer: Zeit totschlagen
Einziger Zeitrhythmus von Bedeutung: der vierzehntägig wiederkehrende Auszahlungstermin der Unterstützung
Die Forscher erkennen 4 Haltungstypen:
Die Ungebrochenen (16%): planvolle Existenz, große Sorgfalt der Haushaltsführung, Atmosphäre der Zufriedenheit, Blick ist hoffnungsvoll auf die Zukunft gerichtet
Die Resignierten (48%): erwartungslose Grundhaltung zum Leben, aber Haushalt geordnet, Kinder werden nicht vernachlässigt
Die Verzweifelten (11%): Verzweiflung, Depression, Hoffnungslosigkeit, Gefühl der Vergeblichkeit aller Bemühungen, keine Versuche zur Verbesserung
Die Apathischen (25%): Aufgeben des geordneten Hausstandes, ohne den Versuch etwas vor dem Verfall zu retten, Streit, Betteln und Stehlen, Planlosigkeit
Die meisten Betroffenen durchlaufen die o.g. Stadien der Reihe nach.
Diejenigen, denen es früher besonders gut gegangen ist, konnten der Situation der
Arbeitslosigkeit entweder besonders lang (ökonomische und seelische Elastizität) oder
besonders kurz (Absturzexistenzen) standhalten.
Abkapselung: Vereine, polizeiliche Anzeigen, Apathie
Vor der Arbeitslosigkeit waren die Marienthaler für ihre Lebenslust und ihr Engagement in Vereinen bekannt.
Nach der Arbeitslosigkeit: Abnahme der aktiven Teilnahme am politischen und sonstigen Geschehen
Ausnahme: Vereine, die ihren Mitgliedern materielle Vorteile bieten konnten → Mitgliedschaft in Vereinen wurde von einer Gesinnungssache zu einer Interessenangelegenheit
Rückgang des Interesses an allem, was in der Außenwelt vor sich ging
Anstieg der Gehässigkeit untereinander: Zunahme der Zahl der Anzeigen, die wegen unbefugter Gelegenheitsarbeit erstattet wurden
Fazit:
Weitgehendes Zurückziehen in die eigene Schale
Sich abkapseln von allem, was außerhalb der unmittelbar eigenen Sphäre vor sich geht